Vier Kilometer trennen den Geist der Freiheit auf der Place de la Bastille von der Rotonde auf der Place Bataille Stalingrad. Auf dieser Strecke, auf der man am beliebten Canal Saint-Martin mit seinen Brücken und gepflasterten Kais entlangfährt, wurde der Platz für das Auto in den letzten Jahren zwar zugunsten von Fahrrädern und Fußgängern reduziert. Aber mit schmalen Radwegen, die dicht an zu kleine Bürgersteige grenzen, kommt es immer wieder zu vielen Konflikten und Zusammenstößen.
Während die Strecke gemäß einem in den 1960-er Jahren erstellten und glücklicherweise nicht umgesetzten Plan in eine die Stadt von Norden bis Süden durchquerende Autobahn umgebaut werden sollte, soll sie stattdessen bis 2026 ein völlig anderes Gesicht bekommen. In dieser dicht bebauten und wenig bepflanzten Umgebung soll laut Alexandra Cordebard, der Bürgermeisterin des 10. Arrondissements, ein echter „urbaner Naturpark“ entstehen.
Konkret wird die Straße für Autos verschmälert und in eine Fahrradstraße umgewandelt, in der Radfahrer in beide Richtungen fahren können und dabei Vorrang haben. Zusätzlich sollen die Radwege verschwinden, die Gehwege verbreitert und die Grünflächen vergrößert werden. Ein Projekt für die Menschen, aber auch für die Artenvielfalt, die Flora und Fauna. Ein „Ort zum Atmen“ und eine „Insel der Frische“, die für die Widerstandsfähigkeit von Paris gegenüber dem Klimawandel notwendig sind, versprechen die Befürworter des Projekts.
Diese zukünftige „Promenade des Pariser Ostens“, wie sie genannt wird, wird sich über drei Arrondissements der Hauptstadt erstrecken. Dabei ist auch die Meinung der Anwohner gefragt: Am vergangenen Montag fand ein Treffen rund um die Umgestaltung des Canal Saint-Martins statt. Im Point Ephémère, einem Kulturort direkt am Wasser, war der Saal an diesem Abend voll besetzt, um das Projekt kennenzulernen. Allein auf diesem Teil der Strecke, wo täglich 5.000 Fahrradfahrer verkehren, versprechen die Abgeordneten unter anderem 3,4 Kilometer lange Radverkehrsanlagen und 250 Fahrradstellplätze. Die Sauberkeit der Flächen wird ebenso angesprochen wie die verschiedenen Nutzungensarten – der Kanal ist gleichermaßen ein Ort für Spaziergänge, Arbeitswege, Familienausflüge, aber auch spontane Partys.
Während das Projekt von Fahrradfahrern und fahrradfreundlichen Vereinen wie „Paris en selle“ begrüßt wird, gibt es auch zahlreiche Gegner. „Für Sie sind es immer die Autos, die im Unrecht sind“, kritisiert ein Mann in den Vierzigern. „Ich bin nur zu Fuß unterwegs, aber die, die mich stören, sind nicht die Autofahrer. Es sind die Radfahrer, die mit einer unglaublichen Geschwindigkeit fahren“, fügt er hinzu. Die Aussage wird von vielen anderen Teilnehmern bejubelt. Das Mikrofon geht im Saal herum und die Beschwerden häufen sich. Es werden mögliche Schwierigkeiten angesprochen, die das Projekt für die Fortbewegung von Berufsfahrzeugen – Lieferanten, Taxis, Krankenwagen – mit sich bringt. Aus Wut darüber, dass er kein Mikrofon erhält, verlässt ein Mann den Saal und schlägt die Tür zu.
Auch die Lärmbelästigung durch die starke Frequentierung des Kanals, vor allem in den Abendstunden, wird angesprochen. Eine Frau befürchtet insbesondere, dass die Verbreiterung der Bürgersteige insbesondere den Bars und Restaurants zugutekommen wird, die ihren Außenbereich ausweiten werden. „Man hat den Eindruck, dass Sie zu anderen Leuten sprechen als zu denen, die hier wohnen“, wirft ein anderer Teilnehmer der Bürgermeisterin vor. Angesichts dieser Kritik bleibt sie standhaft: „Das Hauptziel des Projekts, das weitgehend geteilt werden kann, ist es, den Autoverkehr zu senken. Wir müssen es unbedingt schaffen, dass Paris auch in zehn, zwanzig und dreißig Jahren noch lebenswert ist.“
Coverbild: Canal Saint Martin © Vince Duque / Unsplash